ghj-logo

Happyend-Virus

Von Günter H. Jekubzik

Berlin. Das Zusammentreffen von 500 Filmen und circa 3000 Journalisten aus aller Welt bei dem Ereignis Filmfestival ist immer gekennzeichnet von der Suche nach dem Trend. Die Eifrigsten sehen höchstens fünf bis zehn Prozent aller Filme, aber der diesjährige Trend in näherer Umgebung des Wettbewerbs ist schon aufgespürt. Der Sieger ist ... die unaufhaltsame Sehnsucht nach dem Happy End.

Abgesehen vom bekannt notorischen Zwang zum guten Ende bei amerikanischen Major-Produktionen schockte eine Reihe von ästhetisch und erzählerisch spannenden Filmen mit einem völlig unnötigen Harmonie-Guß. "Playing by Heart" erzählt episodisch von Schicksalschlägen und schwierigen Beziehungen mehrerer Menschen. Mit exzellenten Dialogen, auffälliger Farbgestaltung und Stars wie Sean Connery und Gena Rowlands unterhält "Playing by Heart" leicht - trotz seiner schweren Themen. Wäre da nicht das ach so harmonische Happyend.

Tim Roth, begnadeter Jungdarsteller, und Regisseur der bislang bemerkenswertesten Films des Festivals (wie gesagt: Hochrechnungsbasis sind 10% der Filme) "The War Zone" beklagte selbst dieses Mißachtung seiner Intelligenz und lieferte das Gegenmittel. Seine drastische Geschichte um den Inzest in einer englischen Familie kann nicht einfach in Wohlgefallen aufgehen. Der Zuschauer muß auch nach dem Film noch mit losen Enden und offenen Fragen fertig werden.

Schlecht geht es höchstens bei den amerikanischen Wettbewerbs-Hoffnungen mit bekannten Namen aus: Stephen Frears, der Regisseur von "Mein wunderbarer Waschsalon" verantwortete schon mit "Grifters" oder der weiblichen Dr. Jekyll und Mr. Hide-Sicht "Mary Reilly" Genrefilme mit sehr genauer Figurenzeichnung.

Mit "Hi-Lo Country" inszenierte er eine richtige Männergeschichte: Pete und Big Boy (Woody Harrelson) fühlen sich nur in der großen, weiten Freiheit wohl. Sie rennen sofort nach Kriegsanbruch in die Armee, haben dann nach der Heimkehr dauernd Krach mit den Dagebliebenen, die inzwischen mit Rinderzucht reich geworden sind. Der Weltkrieg war schon der zweite und man bringt das Getier mittlerweile mit LKW zum Bahnhof. Der mythische Viehtrieb ist ein unökonomisches Relikt für Romantiker. Pralle Figuren, gutes Styling von Bild und Charakteren können nur oberflächlich von der sehr stereotypen Konstruktion ablenken. Kurz: Idiotische, immergeile Kuhhirten. Was ritt bloß den Briten Frears, diesen amerikanischen Heimatfilm in Szene zu setzen?

Noch schlimmer geht es mit Joel Schumacher und dessen "8 MM" aus. Nicolas Cage soll als Detektiv herausfinden, ob ein 8mm-Film aus der Hinterlassenschaft eines angesehenen Mitglieds der Gesellschaft tatsächlich einen Mord zeigt und wer das Mädchen auf den Bildern war. Angeblich soll der Schnüffler im Kontakt mit einer bis zum Letzten gehenden Pornoindustrie selbst dem Reiz des Bösen verfallen. Doch zu diesem Film hat sich letztendlich keiner getraut und so bleibt eigentlich alles auf der Strecke.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

realisiert durch

Ein Service von

arena internet service

FILMtabs-Logo



A