Michael Collins
USA/GB 1996 (Michael Collins) Regie Neil Jordan, 120 Min.
Nach dem gescheiterten Osteraufstand von 1916 gegen die britischenBesetzer baut Michael Collins (Liam Neeson) als Mitglied dermachtlosen irischen Regierung einen effektiven bewaffneten Widerstandauf. Der eigentliche Minister für das Militär nennt sichscherzhaft Minister für Chaosverbreitung. Mit Waffenraub,Anschlägen und Exekutionen von gegnerischen V-Männernprovoziert er die Londoner Regierung. Die Spirale der Gewalt schraubtsich hoch, aber nach erschreckenden Massakern stimmen die BritenVerhandlungen zu. Nach politischen Schachzügen wird Collinsangegriffen, weil er zwar die Freiheit Irlands erhandelte, aberdafür Nordirland abgeben mußte. Aus gemeinsamenKämpfer werden Feinde in einem irischen Bürgerkrieg.Collins wird mit seinen eigenen Mittel umgebracht. Die Kinder derRevolution fressen ihre Eltern auf.
Psychologisch ist dies die Geschichte von zwei Freunden: Michaelund Harry Boland (Aidan Quinn), ähnlich wie bei Büchners(und Wajdas) "Danton" und Robespierre. Deshalb stört die Frau(Julia Roberts als Kitty Kerinan) zwischen ihnen nur. Kitty ist dereigentliche Grund für die Trennung zwischen den Männern undden Bürgerkrieg zwischen den beiden irischen Fraktionen nachAnnahme des Vertrages mit Großbritannien. Julia Roberts siehtüberhaupt dauernd so aus, als käme sie gerade vom Shoppingaus London. Völlig deplaziert!
Im Reigen der Filme um den Krieg in Irland nimmt "Michael Collins"eine gemäßigte Mittelposition ein. Zwar ist die Figur desWiderstandskämpfers bei den Iren geliebt und bei den Gegnerumstritten, doch der irische Regisseur Neil Jordon hält demgerechtfertigt gefeierten Freiheitskampf die Frage der Mittelentgegen. Anfangs ist es zwar nicht überzeugend, wenn Collinssein Killer vor der schweren moralischen Last ihrer Taten warnt. Dochseine Schwächen als "Big Man" und der unnachgiebige Streitfür den Frieden zeigen eine tragische Figur.
Da Neil Jordan aber in diesem Film weit hinter seinem Könnenvon "Angel", "Mona Lisa", "Wir sind keine Engel" oder"The Crying Game"zurückbleibt, könnte man schon von einer patriotischenPflichtübung reden. Es gibt gute Momente, glaubwürdigeKostüme und Kulissen, makellose Darstellerleistungen (bis aufFrau Roberts), aber auch unnötigen Pathos. Besonders an denHöhepunkten und Wenden wirkt "Michael Collins"unglaubwürdig: Die Parallelmontage von Exekutionen und denersten Annäherungen zwischen dem gequälten Collins und dermitfühlenden Kitty. Der Kauf eines Hochzeitskleides währendder Bräutigam erschossen wird.
Und I.R.A.-Kapitel in "TheCrying Game" hatte eine ganz andere Kraft. Die Gespräche mitdem Freiheitskämpfer (Stephen Rea, der in "Michael Collins" denSpion Broy spielt) erzählten viel mehr von Feindbildern und denMenschen dahinter. Vor allem war"The Crying Game" immer wiederüberraschend. Etwas, das sich von "Michael Collins nicht sagenläßt. Besonders am Ende ist zu klar, wie es mit dem Heldenausgehen wird.
Dann gibt es noch Alan Rickman, der aus jeder Rolle einMeisterstück macht. Jede Minute seiner Präsenz als irischerPräsident De Valnea ist ein Genuß. Noch bevor Rickman zusprechen beginnt, ist alles gesagt. Die von ihm gespielteZerissenheit, nahe am Wahnsinn, gibt dem Konflikt zwischenPräsident und treuem Gefolgsmann Collins etwas Mythisches.
Die drei Filme"Mütter &Söhne", "VertrauterFeind" und "Michael Collins" ergaben in den letzten Monaten einvielfältiges Bild des Irland-Konfliktes. Sie führten aberauch ganz unterschiedlicher filmischer Ansätze vor: Distanz vonzu persönlichen Geschichten führt bei "Mütter &Söhne" zu klugen Einsichten und erschütterndenErkenntnissen. Dagegen benutzt "Vertrauter Feind" den Irland-Konfliktnur als austauschbare Verpackung."Im Namen desVaters" ist vielleicht die überzeugendste Mischung ausEngagement und Aufklärung - allerdings zielt dieses Meisterwerknur auf einen engen Bereich der Fehljustiz gegenübermöglichen I.R.A.-Tätern.
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