Natural Born Killers
Von Günter H. Jekubzik
Am Freitag erlebt Hamburg die Deutschland-Premiere von Oliver Stones neuestem Film "Natural Born Killers". Schon in den USA war dieses Gewalt-Werk eine Sensation, deren Brisanz mit Stanley Kubricks "Uhrwerk Orange" vergleichbar ist.Wie so oft in den letzten Jahren ist es die Geschichte von Serien-Killern und erneut liegt eine Geschichte von Quentin Tarantino zugrunde. Auffällig ist, daß dessen Gewalt-Phantasien (Reservoir Dogs, True Romance, Pulp Fiction), die ihre absurde Zerstörungskraft bislang unter glatter Oberfläche zeigten, nur als Folie übrigblieben.Juliette Lewis, das kleine, bedrohte Mädchen aus "Kap der Angst", die verführte Schülerin Woody Allens in "Ehemänner und Ehefrauen" schlägt hier gewaltig zurück. Als Mallory Knox (Juliette Lewis) schlachtet sie mit ihrem Freund Mickey (Woody Harrelson) gleich in der ersten Szene eine ganze Kneipe ab, nachdem einer der Landrüpel sie dumm anmachte. In der Folge ziehen sie eine Blutspur durch das Land, gefolgt von einer vielfachen Medienverwertung im Umfeld allgegenwärtiger Gewalt. Selbst der Polizist, der Mallory und Mickey zur Strecke bringt und dessen Buch darauf zum Bestseller wird, hat seinen eigenen, ganz privaten Mord längst hinter sich.
Als das Pärchen gefaßt ist, seine Bluttaten nur noch im Knast fortsetzen kann, bringt dieser 'ruhiggestellte' Teil in einem Interview für die TV-Show "American Maniacs" die theoretischen Hintergedanken Oliver Stones: Wieso tötet ihr? Die Antwort läuft den Sozialisations-Argumenten des Films entgegen: Ich bin so geboren, ich bin ein 'Natural Born Killer'. Ein Gedanke mit enorm destruktiver Wirkung, dem ein allgemeiner Ausbruch der Gewalt folgt. Eine Geiselnahme mit einem Medienspektakel, gegen das Gladbeck eine Gartenparty war. Hier schießt die Kamera letztendlich selber scharf, der Redakteur fühlt sich beim Töten 'das erste Mal richtig lebendig'.
Stone befreit mit "Natural Born Killers" den Film von der Linearität des Kino-Realismus. Mit unterschiedlichen, rasch wechselnden Perspektiven, s/w-, Farb-, und Videomaterialien erlaubt sich die populäre Hollywood-Abteilung einen Ausflug in die Moderne. Die Versatzstücke aus Comics, TV-Magazin, Naturfilmen und Nachrichten könnten sogar das Stichwort Postmoderne aufrufen. Die Kindheit Mallorys, schlägt einem als grelle TV-Comedy im Stile einer schrecklich netten Familie mit eingespielten Lachern auf die Geschmacksnerven.Schräge Winkel, poppige Rückprojektionen, wilde Schnitte in Sekundenabständen - nicht das Gezeigte ist hier brutal, sondern die Art wie Stone es montiert. Er, der schon immer mit Effekten das Mitdenken überrumpelte (J.F.K.), ruft hier im formalen Overkill Zustände hervor, die reihenweise mit 'Schwindel', 'verwirrend' und 'Bombardement der Bilder' umschrieben werden. Im Gegensatz zu Genrevariationen wie "Speed" findet in "Natural Born Killers" eine wirkliche Beschleunigung des Films statt. Eine Schallmauer wird durchbrochen, der Knall halt noch lange nach.
Eine Kritik vonGünter H.Jekubzik
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