Bringing out the dead

USA 1999 (Bringing out the dead) Regie Martin Scorsese, 118 Min.

Bitte anschnallen und Gasmasken aufsetzen für diesen psychedelischen Höllentripp: Die Wahnsinnsfahrt eines Rettungssanitäters durch New York ist wieder ein Meisterwerk von Martin Scorsese, ist eine klinische Variante vom "Taxi Driver" Robert DeNiro, ist der tödliche Ernst einer Erlösungssuche nach Mitternacht.

Frank Pierce (Nicolas Cage) kann nicht mehr und will nicht mehr. Doch alle Versuche, seinem Chef eine Entlassung abzuringen, scheitern in absurden Dialogen. Seit Monaten konnte Frank niemanden mehr retten, Albträume quälen seine schlaflosen Nächte, er kann den Tod einer Patientin nicht überwinden. Mit wechselnden Partnern durchkreuzt er die Nacht. Der eine ist süchtig nach schrecklichen Fällen (John Goodman setzt seine Rolle aus "Big Lebowski" fort), der andere, der schwarze Soul-Bruder Marcus (Ving Rhames), inszeniert religiöse Erweckungen. Walls (Tom Sizemore), der allerletzte, prügelt seinen Frust an den Patienten aus.

Ob mit dem unerträglich stinkenden Mr. O oder mit einem neuen Drogenopfer - immer wieder taucht Frank ein in den Wahnsinn des Krankensystems, die Vorhölle der Notaufnahme, die bei Dante auch ganz gut aufgehoben wäre. Dieses nächtliche New York ist keine "City of Angels", keine Stadt der Engel. Die Untoten aus dem Zwischenreich bevölkern einen chaotischen Moloch. Allerdings nicht als horrende Zombies, denn es ist eine spirituelle Krise, die Frank durchlebt.

Wir taumeln durch ein Zwischenreich von Leben und Tod. Der tragische Clown Noel will sterben, stellt sich aber zu dumm an. Mal holt Frank mit Hilfe eines Sinatra-Songs einen Mann zurück, der den ganzen Film lang dank medizinischer Schocktherapie nicht sterben darf. Dann hilft er in einer faszinierenden Vision den Auferstandenen aus dem Asphalt der Straße. Rettung in diese völlig durchgeknallte Welt verspricht dem Rettungsfahrer nur ein gefallener Engel, Mary Burke (Patricia Arquette).

Nicholas Cage, ansonsten mal ruppiger Haudrauf ("Con Air"), mal sensibler Psychospieler ("Leaving Las Vegas"), ist die ideale Besetzung, weil da schon einiges daher kommen muss, um so einen Kerl zu fällen. Ein unglaublicher Zynismus liegt über allem, aber der ist längst nicht mehr witzig. "Bringing out the dead" ist die schmutzige Rückseite einer klinisch reinen Krankenhausserie wie "ER", ist der "Catch 22" der Krankenwagenfahrer, ist eine zutiefst religiöse Farce. Dass Scorsese (der selbst als Stimme aus der Leitstelle zu hören ist) seinen Katholizismus ernst nimmt, ist schon länger bekannt. Doch selten waren die Namen im verweltlichten New York derart heilig (Holy Cross, Mary ...), die Anspielungen so deutlich: Frank hat ein Priestergesicht, ÝMary ist eine "Fast-Nonne". Vielleicht ist "Bringing out the dead" auch so gut und so christlich, weil Paul Schrader wie schon für die Scorsese-Filme "Taxi Driver", "Raging Bull" und "The Last Temptation of Christ" das Drehbuch (nach einem Roman von Joe Connelly) schrieb.

Scorsese hat dazu den wachen Blick für die Perversionen des katholischen Alltags: Alles kümmert sich um ein krankes, "unschuldiges" Baby, während eine leidende Frau unbeachtet bleibt. Den Wahnsinn bringt der Meisterregisseur eindrucksvoll in Bild und Ton, rast mit blitzartigen Schnitten durch die Straßen, "verrückt" die Kamera extrem und lässt Schnee in den Himmel fallen. Dazwischen wunderbare Momente und magisch deplatzierten Sternenregen. Die Musik - alter und junger, kerniger Rock, Soul und Latino-Rhythmen - passt zu Franks Begleitern. Aber das ist nur Handwerk - der kühne Entwurf dieses gleichermaßen attraktiven wie tiefsinnigen Kunstwerks ist zu reich für eine Beschreibung.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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