Die große Verführung

Kanada, 2003 (La Grande Seduction) Regie Jean-François Pouliot mit Raymond Bouchard, David Boutin, Benoît Brière, Pierre Colin, Rita Lafontaine, Lucie Laurier 110 Min.

Welch eine perfekte Antwort auf das globalisierte Komödien-Einerlei: Eine wackere Schar von kanadischen Inselbewohnern wehrt sich mit sympathisch halblegalen Mitteln dagegen, abgeschrieben zu werden. Kauziges Menscheln bis der Arzt kommt!

Das Hafendorf Sainte-Marie-La-Mauderne lebt komplett von der Sozialhilfe. Die Fischgründe sind erschöpft, das Geld reicht nur zwei Wochen, die Scham bei den Männern bis zum Ende des Monats. Ihre letzte Hoffnung ist eine Fabrik, die sich auf der Insel niederlassen will, aber nur wenn es dort auch einen Arzt gibt. Doch den hat das Nest seit Jahren nicht mehr gesehen.

Bis der Ex-Bürgermeister als Polizist in Montreal einen Arzt aus dem Straßenverkehr fischt. Der Schönheitschirurg Christopher Lewis (David Boutin) reitet sich mit einem Tütchen Koks, zu hoher Geschwindigkeit sowie dummen Bestechungsversuchen rein und muss nun einen Monat in St.Marie verbringen. Ein Monat, in dem er sich nach der Vorstellung der Einwohner in das Dorf verlieben soll.

Unter der Anführung von Germain Lesage (Raymond Bouchard) wird das Nest aufgemöbelt: Hinterwäldler, die meinten Cricket sei ein Sport für Heuschrecken, bereiten sich mit liebenswertem Aufwand auf ein Cricket-Spiel vor - weil der Doktor Cricket-Fan ist. Keiner kapiert die Regeln, die Platzmarkierungen werden vom Winde verweht. Das ganze Dorf hört Christophers Telefongespräche komplett ab, vor allem das sehnsuchtsvolle Geflüster mit der weit entfernten Freundin, wobei die Hobbytechniker im entscheidenden Moment immer für eine brutale Rückkopplung sorgen. Man hilft auch der untalentierten Angelleidenschaft des Gastes nach - mit einem frisch gefangenen Fisch, der noch gefroren ist.

Sie sind wunderbar verschrobene Dickköpfe, die Menschen von Sainte-Marie-La-Mauderne, und sie sind von der ersten Szene an liebenswert komisch. Das Fischerdorf mit seinen Ritualen erweist sich als besonders einfallsreich im Schummeln und Betrügen. In der Tradition von - meist britischen - Filmen wie "Der Engländer, der auf einen Hügel stieg und von einem Berg herunter kam" macht der kanadische Kinoerfolg klar, dass es dort draußen in der weiten Welt von eigenwilligen Menschen nur so wimmelt, dass "das Normale" wohl die Ausnahme sein muss.

Obwohl es ein Happy End gibt und eine Tupper-Fabrik aufmacht, schwingt dabei immer mit, wie zwecklos all die kreativen Bemühungen sind, sich gegen die globalen Konzerne etwas Altmodisches wie Heimat oder Dorfgemeinschaft zu erhalten. Sainte-Marie-La-Mauderne hört sich an wie "modern" aber dieses Wort passt hier überhaupt nicht hin. Ebenso wenig wie ein Geldautomat, vor dem der Bankangestellte so viel Angst hat, weil er genau weiß, dass der seine Arbeit billiger macht.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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