Am Ende der Gewalt
USA 1997 (The End of Violence) Regie Wim Wenders, 121 Min.
The End of Violence as we know the Wenders
Von Günter H. Jekubzik
Schon immer war das Wesen der Bilder, vielleicht sogar die Seeleder Bilder ein Thema für Wenders. "Bis ans Ende der Welt" wareine Bildersuche - in den Landschaften dieser Welt und zuletzt in denKöpfen der Menschen. "In weiter Ferne so nah" beklagte (durchden engelhaften Mund der Nastasja Kinski) das Verschwinden der(Film-) Bilder in einer Schwemme optischer Reize. Die"Lisbon Story" fand jedochwieder zum einfachen Spaß der vorher verdammten Videobilderzurück. Nun zeigt sich "Am Ende der Gewalt", daß die allessehenden Bilder, die in einem Netz der Überwachung Gewalteindämmen sollen, letztendlich tödlich sind und sogarselbst töten. Nur mit Hilfe einer flächendeckendenÜberwachung konnte das Attentat der Schlüsselszeneausgeführt werden. Und selbst der Besitz dieser Bilder isttödlich. Eine Art göttliches Auge droht über denMenschen zu stehen. Dagegen stellt Wenders vielleicht die"Verfilmung" eines bekannten Edward Hopper-Motivs, das des typischamerikanischen Diners, der Eckbar.
Der Hollywood-Filmproduzent Mike (Mad?) Max (Bill Pullman) istSpezialist für Mord- und Kriminalfilme, ein harterGeschäftsmann in Sachen Gewalt. Gerade als sich seinelängst vergessene Ehefrau Paige (Andie MacDowell) von demHigh-Tech-Workaholic trennen will, wird der Gewaltfilmer von ganzrealer Gewalt entführt. Allerdings wirken die beiden kopflosenClowns wie Karrikaturen irgendwelcher Pulp Fiction-Gangster. Amnächsten Morgen liegen sie tot unter einer Autobahn, Mike Maxbleibt verschwunden und wird von der Polizei gesucht. Nur langsamzeigt sich die Verbindung von Mike zu dem so naturbürschigwirkenden Wissenschaftler Ray Bering (Gabriel Byrne). Der stille Mannleitet ein extrem geheimes Projekt zu Eindämmung der Gewalt:Versteckte Überwachungskameras beobachten weite Bereiche vonL.A. Jede Gewalttat soll so entdeckt werden, das Ende der Gewalt nahesein. Doch kann man die Wahrheit sehen?
Die nur anscheinend futuristische Story beschwört diesmalnicht "Das Ende der Welt", sondern läßt Mike Max (BillPullman), den Produzenten besonders aufgefeilt gewalttätigerFilme, zum gehetzten Objekt staatlicher Gewalt werden. Die Frageeiner der vielen weiteren Figuren: "Was ist Gewalt?" steht zentral inder Vielfalt von Figuren und Erzählsträngen. Wenders'unabhängige amerikanische Produktion enthält vieleernsthafte Gedanken zu Gewalt (auch der des Films). Beimnachträglichen Nachdenken entfaltet sich ein faszinierendesSpektrum an Themen-Variationen. Doch leider bleibt eshauptsächlich ein Kopffilm. Nur die Musik spricht direkt zu denEmotionen (und bildet mit vielen bekannten Interpreten eine Konstantezu den letzten erlesenen Wenders-Soundtracks). Die Verbindung vonRegisseur Wenders zum Autor Nicholas Klein kam über dengemeinsamen Freund Bono zustande, dem Sänger der Gruppe U2.
Während die Bilder viel von der Wenderschen Sinnlichkeitvermissen lassen, beeindruckt die Garde der Schauspieler: Neben BillPullman (zuletzt u.a. "LostHighway", "IndependenceDay","While youwere sleeping"), Gabriel Byrne("FräuleinSmilla ...", "Dead Man","Dieüblichen Verdächtigen" und viele von ihmmitproduzierteirische Filme) und dem ehemaligen Fotomodell Andie MacDowell(eine Karriere zwischen "Sex, Lügen und Video","Vier Hochzeitenund ein Todesfall" sowie "Green Card") haben sehr gutejüngere Darsteller einprägsame Rollen. Udo Kier gibt einengenervten Regisseur. Sam Fuller wurde in einer der letzten Rollen vorseinem Tod leider für ein paar nichtige Sätze verheizt.
In Cannes, wo der Film mit Unverständnis und Desinteresseaufgenommen wurde, äußerte Wenders noch den Wunsch,daß der Titel englisch bleiben soll, da der Film von "Violence"in und aus Hollywood handelt. Später schnitt der ehemaligeGewinner von Palme ("Paris, Texas" 1984), Regiepreis ("Der Himmelüber Berlin" 1987) und Grand Prix("In weiterFerne, so nah!" 1993) seinen Film nochmals um. Und irgendjemanddachte wohl auch, ein deutscher Regisseur bräuchte deutscheFilmtitel.
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